HÖREN

Für mich bedeutet Skulpturen herstellen, Lärm machen.

Die grellen und unangenehm lauten Geräusche entstehen beim Trennen von Metall, beim Schweißen, später beim Schleifen. Nichts davon ist angenehm, gar melodiös. Es ist eine Marter, welche die menschliche Fähigkeit zu hören zerstören kann, sofern man das Gehör nicht konsequent schützt.

Es ist bekannt, dass bei Metal oder Heavy Metal ein dunkler, schwerer Sound bevorzugt wird. Banausen sind geneigt diese Musik mit dem Krach gleichzusetzen, wie er bei der Bearbeitung von Metall entsteht. Das jedoch ist falsch. Die Geräusche, die durch metallbearbeitende Maschinen entstehen, erzählen von nichts sonst, als von der Mühe Material zu verändern. Auch zögerliches Kratzen über Stahl, Scheppern von Blechteilen oder versonnenes Klingklong einzeln angespielter Metallteile, wie dies gelegentlich in Stücken Neuer Musik vorkommt, ist von wirklicher Metallbearbeitung weit entfernt. Was es mitunter gibt, sind rhythmische Schläge mit dem Hammer beim Schmieden oder Richten. Eine mögliche Kesselform kann die ohnehin quälenden Geräusche in eine kaum auszuhaltende Tortur verstärken. Wie also gewöhnt man sich daran?
Man gewöhnt sich nicht daran. Man geht damit um, so wie jemand in kalten Erdregionen mit Dunkelheit, Eis und Schnee umgeht. Ohne Groll nimmt man den Umstand hin. Aber es verneint das Hören, oder?
Nein, es zwingt zu einem Hinweghören. So wenig es lohnt, sich um den Staub zu kümmern, so wenig lohnt das Hinhören auf den Maschinenlärm. Manchmal habe ich mir vorgestellt, es wären Tiergeräusche, doch den Maschinen fehlt der Atem. Was es gibt, ist die Erleichterung nach dem Lärm. Die eintretende Stille, die nie prachtvoller, nie würdiger und nie zu früh auftritt. Endlich. Ich habe gelesen, dass die Art und Weise wie man Musik gestaltet, abhängig ist von der Beziehung zur Stille. Wer umfassend Metall bearbeitet, endet bei der Taubheit einer Glocke oder in der erleichternden schwebenden Stille des Danach.

Köln, den 2. November 2021